Archive für 30.7.2011

Dr. Klenk nervt

In der Tat: er hat eine nervige Stimme, eine nervige Art und ist das Paradebeispiel dafür, was man bei der Auswahl seiner Vertreter in der Werbung alles falsch machen kann. Weitere stimmige Beispiele sind die Unsympathen von „carglass“, die nervigen Mütter, die „Milchschnitte“ für ein Lebensmittel halten, und die Hohlfritten, die uns Synthetikdüfte als „Lufterfrischer“ verkaufen wollen. Die Fernsehwerbung ist so voll davon, wenn man eine weitere Zehntelsekunde darüber nachdenkt, fallem einen noch Tausend weitere Nervtöten ein. Also besser nicht nachdenken, sondern schnell umschalten. Ich bin des Zappens müde und wäre jetzt reif für ‘SKY’ o.ä…

Zurück zu den Ärzten im TV und ‘real life’. Da die Vertrauensbasis zwischen mir und meinem bisherigen Arzt genauso marode geworden war wie sein Zeitempfinden und Selbstverständnis, musste ich mir einen neuen suchen. Ich bin auch fündig geworden: ein engagierter Palliativmediziner, der etwas näher am Thema Hospiz und ’sterbenskrank’ ist. Erste Gespräche verliefen Ergebnis orientiert in angenehmer Atmosphäre und lassen mich hoffen, dass es diesmal hält. Aber mit Partnerschaften habe ich es scheinbar nicht so…

Zur Erstinformation hätte üblicherweise ein Ersgespräch stattgefunden. Damit sich das nicht über Tage hinzieht, haben wir vereinbart, dass ich meinen ‘Status Quo’ in Schriftform für ihn zusammenstelle. Um Fragen zu meinem Befinden gleich für alle mitzubeantworten, veröffentliche ich meinen Statusbericht unten am Ende des Eintrags.

Im Gespräch mit meinem neuen Arzt löste sich auch meine derzeit größte Sorge in Luft auf: ich dachte bisher, dass der Tod durch Atemlähmung sich so darstellt, dass ich lange und intensiv nach Luft schnappe. Tatsächlich ist es aber so, dass die ALS Kranken im Endstadium ihrer Krankheit immer flacher atmen, der Kohlensäureanteil im Blut steigt und der Kranke bewusstlos wird. Aus dieser Bewusstlosigkeit wacht er dann nicht mehr auf. Klingt für mich weitaus angenehmer als nach Luft schnappend zu kämpfen, oder?

Dann nochmal zur Kategorie „Menschen, denen es noch schlechter geht“:
Ich habe schon wieder Leute über den Regen meckern gehört - in großen Teilen Somalias und Kenias ist der Regen seit 3 Jahren ausgeblieben. Die Folgen: Dürre, Ernteausfall, Hungersnot, Kindersterben. Alle 6 Sekunden stirbt aktuell ein Kind am Hunger in Somalia…

Mehr Informationen zum Thema und zu Hilfsmöglichkeiten gibt es hier.

Mein Statusbericht
(nach 3 Jahren Widerstand gegen ALS)
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Mobilität
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Stehen kann ich noch kurz, muss aber in der Waage gehalten werden und kann dabei meinen Oberkörper nicht aufrecht halten und muss ihn hängen lassen. Zu Transferzwecken grade noch ausreichend.

Lagerung
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Immer öfter muss ich nach Luft schnappen, immer mehr Sitz- und Liegepositionen werden für mich zur Qual. Ähnlich wie ein Wal, der an Land von seinem eigenen Gewicht erdrückt wird, ist es jetzt auch bei mir. Am Schlimmsten für mich ist die Rückenlage. Nach kurzer Zeit besteht die Gefahr des Verschluckens; Atemnot tritt auf!

Sitzen geht auf Stühlen ohne Kopfstütze mit starrer Rückenlehne auch nur gebeugt, sonst besteht die Gefahr, dass mein Kopf nach hinten fällt. Am Entspannendsten ist eine leicht nach hinten geneigte Lehne wie im Rollstuhl oder TV-Sessel.

Liegen ist länger ausschließlich in stabiler Seitenlage links möglich.

Essen und Trinken
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Mein Magen ist auch geschrumpft. Ich nehme nur noch 2 Mahlzeiten pro Tag ein, morgens und abends. Wobei die Mengen mittlerweile im Gegensatz zu früher ein homöopathisches Stadium erreicht haben; ich bin sehr viel früher satt.

Trinken geht nur mit einem Trinkhalm, und das sehr mühsam! Dabei muss ich meinen Mund in den richtigen Abstand zur Tasse und zum Strohalm hinbekommen. Dafür hängt mein Kopf vor sich hin. Wenn die Tasse zu hoch oder zu niedrig gehalten wird, oder nicht ruhig in einer Position gehalten wird, schaffe ich den Lippenschluss um den Trinkhalm nicht. Eine halbe Tasse Flüssigkeit reicht mir jeweils.

Das Schlucken geht noch gut, wenn Speisen in homogener Konsistenz angereicht werden. Sonst wird es schwierig, ohne funktionierende Zunge Essen im Mund zu bewegen. Dazu kommt das zunehmende Unvermögen, einmal kurz und kräftig abzuhusten, wenn ich mich beim Essen verschluckt habe. So kann es Stunden mit Gehüstel dauern, bis meine Luftröhre wieder frei ist und ich wieder einwandfrei Luft bekomme!
Wenn ich mich verschluckt habe, bekomme ich nur mit aufgerichtetem Oberkörper wieder Luft - keinesfalls aber zurückgelehnt oder vornüber gebeugt!

Medizinisches
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Dekubitus ist im Augenblick kein Thema, eine Stelle an der linken Ferse ist wieder verschwunden. Die Gefahr besteht aber bei lange belasteten Stellen wie meinen Schulterblättern (im Sessel tagsüber) und meiner linken Schulter (im Bett nachts).

Sonst, abseits der ALS-Symptome, gibt es keinen medizinischen Befund, nicht zuletzt auch dank der Mithilfe von Krankengymnastik (bisher: Montag und Freitag) und Ergotherapie (Dienstag und Donnerstag). Die allgemeine Sensorik ist gesteigert.

Es liegt eine Patienverfügung sowie eine Betreuungsverfügung vor.

Und hier noch ein Nachtrag zum Thema „dümmer geht’s immer“: es gibt in Deutschland ‘Lachtherapeuten’ - ernsthaft,
Nürnberg kaserniert jetzt, einmalig in Deutschland, Delfine in einem Showbecken ein und vertritt allen Ernstes die Ansicht, in der freien Wildbahn würden Delfine ihren Standort auch nicht verändern, so lange sie dort ausreichend Nahrung vorfänden!

Dazu kann ich aus eigener Erfahrung sagen: das stimmt so definitiv nicht! Dafür muss man nicht mal durch eine Krankheit oder einen Unfall gelähmt sein - eine kurze Umfrage unter den Insassen eines beliebigen Gefängnis ist da völlig ausreichend…

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